Spielen als Grund in der Weltanschauung
des Thomas von Aquin
L. Jean Lauand
Universidade de São Paulo - jeanlaua@usp.br
(Übersetzung ins Deutsche von Frau Dr. Gabriele Greggersen)
Gott spielt. Gott schafft, indem er spielt und spielt inrdem er
schafft. Der Mensch muß spielen, wenn er menschlich leben möchte, aber auch wenn er
gleichzeitig die von Gott gespielte Realität wahrnehmen möchte. Lediglich diese zwei
Aussagen Grundsätze in der Weltanschauung des Thomas von Aquin genügten,
um uns unmittelbar feststellen zu lassen, daß, von allen Urteilen, die noch gegen das
Mittelalter erhoben werden, eins der ungerechtesten es als eine Zeit ansieht, die, bewußt
oder gar unbewußt, gegen alles Lachen und Spielen kämpft. In Wirklichkeit ist der Mensch
des Mittelalters wenn man es so sagen darf sehr empfindsam für alles Witzige
(Ludus): die Lache, der Witz und das Spielen sind sozusagen ein Bestandteil seines
Lebens.
Wie wir bereits versuchten klarzustellen(1), ist das Spielen in
verschiedenen Instanzen der Kultur in dieser Epoche anwesend. In diesem Artikel
beschäftigen wir uns mit der Reichweite und Bedeutung des Spielens in Thomas von Aquin.
In diesem Zusammenhang bieten wir noch im dritten Teil (S. 74 ff.) eine
vollständige Aufstellung der 173 Abschnitte aus den kompletten Werken des Thomas, in
denen insgesamt 356 Fälle des Wortes Ludus (und ensprechender Nebenworte)
vorkommen(2). Diese Worte erwecken verschiedene Interessen: vom semantischen Aspekt des Ludus
der im Thomas' Latein viel weiter reicht als irgendwelche
"entsprechenden" Worte der modernen Sprachen bishin zur Philosophischen
Anthropologie; von der Ethik, bishin zu den Grundsätzen seiner eigentlichen
Weltanschauung.
Zu Anfang erläutern wir flüchtig zwei kurze Texte in
denen ähnliche Gesichtspunkte dargestellt werden die Thomas dem Spielen widmet: Summa
Theologica II-II, q. 168, Artikel 2, 3 und 4 und Kommentar zur aristotelisches
Ethik IV, 16. In beiden Texten werden anthropologische und ethische Aspekte
hervorgehoben: die Rolle des Spiels im menschlichen Leben, Spielen als Bedürfnis, Tugend
und Last des Spiels. Im Anschluß widmen wir uns der tiefgehenden und einzigartigen
Analyse des Thomas über das göttliche Spiel, und, im dritten Teil, fügen wir
zusätzliche Bemerkungen linguistischer, psychologischer Natur usw. zur Aufstellung der
173 Sätze des Thomas über das Spielen hinzu.
1. Anthropologie und Ethik des Spielens in den thematischen
Texten
Das Spielen in der Summa Theologica II-II, 168, 2, 3 und
4
Vorerst eine kurze Bemerkung über die Sprache. Im Gegenteil zur
portugiesischen Sprache, in der man zwischen ein Spiel spielen (Beachtung bestimmter
Regeln) und ganz einfach spielen (sich wie ein Kind vergnügen) unterscheidet, sind in Ludus,
im Latein des Thomas wie auch im Deutschen, Englischen und anderen Sprachen
beide Sinne vertreten. Es bedeutet weiterhin, wie im Deutschen, Spielen: ein Theaterspiel,
usw. (verschiedene Bedeutungen des Ludus werden im dritten Teil diskutiert).
In beiden Texten, die thematisch dem Ludus gewidmet sind
(in der Summa und der Ethik), handelt es sich vor allem um:
- ein erwachsenes Spielen (obgleich dies natürlicherweise auch für Kinder gilt).
- das Witzige, die gute Laune, die Sympathie, das lockere Reden und Handeln, die den
Umgang befriedigend, angenehm, herzlich, heiter und liebevoll werden lassen.
- die Tugend des Zusammenlebens und der menschlichen Beziehung.
Über die Worte Ludus und Jocus ist zu bemerken, das
im Latein Jocus im Wortspiel vorkommt: Sprüche, Rätsel, usw.; Ludus, auf
der anderen Seite, bezieht sich eher auf dem nicht wörtlichen Spiel: den Tatsachen also.
Dennoch werden, im 13. Jahrhundert, Jocus und Ludus oft als Synonyme
angewendet(3).
Ohne die Sorge, sich mit Aristoteles selbst zu befassen, geht
Thomas in der Summa mit größerer Freiheit mit dem Wort Ludus um, als in
seinem Kommentar zur Ethik. Eine der wichtigsten Erkenntnis des Ludus
befindet sich im ad 3 der Art. 3: Ludus est necessarius ad conversationem humanae vitae,
Spielen ist notwendig fürs menschliche Dasein, um menschlich zu leben.
Die Aussage ist grundsätzlich anthropologisch, und wird im Art. 2
der quaestio 168 entwickelt. Thomas behauptet, daß gleichwie der Mensch Ruhe für
den Körper braucht, um sich zu erholen da er, wegen seiner physisch begrenzten
Kräfte, nicht kontinuerlich arbeiten kann so braucht er Ruhe für seine Seele: was
durchs Spielen verwirklicht wird. So wie eine Mahlzeit (Refectio, refectio) die
physischen Kräfte wiederherstellt, so werden auch die seelischen Kräfte durch Rekreation
(Re-creatio) neu geschaffen.
Die im Ludus verwirklichte Rekreation nachstehende
Aussagen könnten auf dem ersten Blick etwas eigenartig erscheinen , ist ein noch
stärkeres Bedürfnis für den Intelektuellen oder Kontemplativen, der seine seelischen
Kräfte sozusagen eher "verbraucht" und von seiner Sinnlichkeit abrechnet. Und,
da "das sinnlich Gute der menschlichen Natur entspricht", haben die Aktivitäten
des Geistes einen noch größeren Anspruch aufs Spielen. Davon lassen sich wichtige Folgen
für die Erziehung schließen: der Unterricht darf niemals langweilig sein: fastidium ist
ein ernstes Hindernis zum Lernen.
Man sollte, laut Thomas, in diesem Bereich drei
Vorbeugungsmaßnahmen vornehmen:
- Spiele vermeiden, die eine schändliche oder schädliche Handlung oder Rede mit
sich bringen.
- Sich nicht ohne Rücksicht vom Spielen überwältigen lassen, bishin zum Verlust
der Ernsthaftigkeit der Seele. Diese Maximen für Erwachsene gelten aber auch für das
Spielen der Kinder: "den Kindern sollte man keine Spiele erlauben: lediglich die
ehrwürdige Rekreation".
- Man sollte dafür sorgen, daß das Spielen zeitlich, den Umständen, und den
Menschen zum Besten dient.
Und hieraus leitet er eine spezifische Tugend des Spielens ab: die
Eutrapelia: "All diese Dinge sollen abgeleitet werden von der Regel des
Verstands (Ratio bedeutet hier: objektives Wissen über das Dasein). Die
Angewohnheit, die aufgrund unseres Verstands funktioniert, ist nichts weiter als die
Tugend der Sittlichkeit. Wir können also von einer Tugend des Spielens reden, die
Aristoteles Eutrapelia nennt".
Im ad 1, empfiehlt Thomas die didaktische Anwendung des Spiels und
Witzes: zur Entspannung der Hörer und Studenten.
Im Art. 3, ist die Sprache davon, ob ein übermäßiges Spielen
Sünde ist. Thomas behauptet, daß diese Art von Übertreibung auf zwei Weisen passieren
kann: einmal, durch aggressives und schändliches Spielen, wie zum Beispiel, wenn jemand
aus Spaß seinen Nächsten verletzt oder wenn er schändlich handelt oder redet; eine
andere Art von Mißbrauch ist die, die sich auf ungemessene Umstände bezieht (wenn man im
falschen Moment, Ort, oder mit dem Gegenstand oder der falschen Person spielt).
Die Quaestio endet in der Art. 4, wo Tomas sich der Schande
als Defekt (Fehler) widmet: die Härte jener, die nicht zu spielen wissen zeigt sich, wenn
sie unangenehm werden. Daher ist es Sünde, wenn man der allgemeinen Freude nichts
beizutragen hat, indem man lästig und langweilig ist: "Alles was gegen die Regel des
Verstands geht ist schändlich; und es ist nicht verständlich im Miteinanderleben
langweilig zu sein: wenn man immer unangenehm ist und den Spaß Anderer verdirbt (...).
Man kann aus Fehler im Spielen heraus sünden, indem man niemals Witze erzählt, aber
auch, indem man keinen erlaubt, Witze zu erzählen, da man kein Verstand oder Toleranz hat
für den Spaß und Witz der Anderen". Dies wird auch in der Ethik thematisch
auseinandergesetzt.
Das Spielen im Kommentar zur Ethik des Arisoteles
Die Kommentar des Thomas sind ungefähr drei Mal länger als die
aristotelischen Originale (1127 b 30 - 1128 b 10) und sind, Schritt für Schritt, anhand
der Übersetzung geschrieben, über die Thomas verfügte. Diese Übersetzung die
zwar für seine Zeit nicht schlecht war ist an manchen Stellen ziemlich
vieldeutig(4). Unter den wenigen Innovationem des Thomas in Bezug auf die aristotelischen
Originalen, muß der Grundsatz des Spielens als Tugend gennant werden. Die Diskussion
beginnt mit dem Hinweis, daß, wenn eine Handlung nicht an sich gut sein kann (wie etwa
der Neid oder Ehebruch), kann man nicht von Tugend als Regler dieser Handlung sprechen(5).
Das Spielen ist gut, weil es dem menschlichen Leben zum Besten
dient: als erforderliche Entspannung von all dem Stress der Sorgen und Leiden des Lebens
und Ruhe von aller ernsten Beschäftigungen. Durchs Spielen wird ein harmonischer Dialog
und Zusammenleben zwischen den Menschen geschaffen. Es gibt also ein Medium fürs
Spielen, sowie man durch Übertreibung und durch Fehler Sünden kann(6).
Anschließend spricht Thomas von der Schande durch Übertreibung
aufgrund des Unterschieds zwischen bomolochus und irrisor. Letzteres sucht,
durch Übertreibungen, den Anderen zu verletzen und Schaden bringen, wozu alle möglichen
Übertreibung dienen; die erste versucht lediglich witzig zu sein, auch wenn man dazu
Andere verletzt oder Anderen unangenehm werden könnte. Die Schande des Fehlers ist eine
Eigenschaft der Bitteren und Hartherzigen, die sich durch Vergnügen und Spiel nicht
besänften lassen(7).
2. Ludus in der göttlichen Schaffung(8)
Ludus hat in Thomas, wie gesagt, einen reichfaltigen Sinn
und erhält verschiedene Bedeutungen und Anwendungen in hundert verschiedene Stellen
seines Werkes.
Erstens sind da biblische Beispiele, insbesondere die Verse der Prd
8, 30-31, in denen die göttliche Weisheit zur Sprache kommt, die Thomas folgendermaßen
liest: "Cum eo eram cuncta conponens et delectabar per singulos dies ludens coram eo
omni tempore, ludens in orbe terrarum et deliciae meae esse cum filiis hominum"
("Da war ich als sein Liebling bei Ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor
Ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den
Menschenkindern").
Dieser Text wird von Thomas tiefgründig interpretiert: es handelt
sich ganz einfach um Grundlagen der göttlichen Schaffung und der Möglichkeit
menschlicher Kenntnis über die Wirklichkeit. Laut Thomas geht es in diesem Text der Bibel
um den Sohn, dem Verb Gottes: um die schöpferische Intelligenz durch die Gott alles
schafft. Thomas weiß, daß im Evangelium des Johannes das griechische Wort Logos (Verstand
und Wort zusammen) nicht zufällig als zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit angewendet
wird: der Logos ist nicht nur Bild des Vaters, aber auch Prinzip der Schöpfung: Er
ist verantwortlich für die intelectuelle Artikulation der Dinge. So muß die Schöpfung
als "innere Struktur" verstanden werden: als Projekt, Design der Formen
der Wirklichkeit, die von Gott durch sein Verb, Logos, geschaffen wurden. In seiner
Erläuterung des Johannes Evangeliums, erhebt Thomas sogar die Frage über die
Angemessenheit der Übersetzung von Logos auf Ratio und nicht auf Verbum.
Die letztere Form scheint besser zu sein, da sich beide Formen auf Gedanken beziehen, Verbum
jedoch die Materialisierung der Gedanken hervorhebt (Verkörperung / Wort)(9).
So ist für Thomas die Schöpfung auch ein Sprechen Gottes: die
geschaffenen Dinge sind, weil sie "gedacht" sind und weil sie von Gott
"ausgesprochen" wurden: und daher können sie auch vom menschlichen Verstand
verstanden werden(10). In diesem Sinne verteidigt die Theologie, in der erfolgreichen
Formulierung von Romano Guardini- den Wortcharakter aller geschaffenen Dinge. Oder
selbst in einem Satz des Thomas: "Sowie das hörbare Wort das interne Wort(11)
verkörpert, so verkörpert auch die Kreatur die göttliche Konzeption (...); die
Kreaturen sind wie Worte die das WORT Gottes offenbaren" (In Sent. I d. 27, 2.2 ad
3). Diese Idee der Schöpfung als Gottes Gedanke, der von Gott "spricht", wurde
sehr gut zum Ausdruck gebracht, in einem akuten Satz von Sartre (wenn auch um ihr zu
widersprechen): "Es gibt keine menschliche Natur, weil es kein Gott gibt, der sie
denken (concevoir) könnte". Wie wir sehen werden, ist dieses Wort -conceptio-
wesentlich in der Interpretation des Thomas.
So ist die Schöpfung Gottes nicht nur lediglich ein "Wesen
erschaffen", aber "Wesen schaffen", die gleichzeitg ein Design, ein
durchdachtes Projekt des Wortes sind. "Et ipsa sapientia loquitur, Prov. 8, 30:
Cum eo eram cuncta componens. Hoc etiam specialiter Filio attributum invenitur, inquantum
est imago Dei invisibilis, ad cujus formam omnia formata sunt: unde Col. 1, 15: qui est
imago Dei invisibilis, primogenitus omnis creaturae, quoniam in ipso condita sunt
universa; et Joan. 1, 3: omnia per ipsum facta sunt". (In I. Sent.)
"Meine Lust", delectabar, liegt
kommentiert Thomas in der Teilnahme an der Herrlichkeit des Vaters. "Delectabar,
consors paternae gloriae" (In I Sent. d.2 q.1 a.5 ex).
"Ich spielte", ludens, die Weisheit Gottes
schafft spielend, weil sich die Weisheit in Otium der Kontemplation verkörpert,
sowie in der Beschäftigung des Spielens, die aufgrund ihrer Zielsetzung an sich
wünschenswert ist (siehe Sätze #1, #136). Außerdem drückt sie die Freude Gottes aus,
auch im Schöpfen/Spielen (#20, #170). Also schöpft Gott spielend: "Sicut enim
operationes ludi non appetuntur propter aliud, sed in seipsis habent delectationem, ita et
contemplatio sapientiae" (In I Sent. d.2 q.1 a.5 ex).
Noch tiefer geht aber der Kommentar des Thomas über
"täglich" (singulos dies, jeden Tag). "Tag" wird hier - in
erster Linie - als Licht verstanden. Und wie man im Kommentar über I Tim 6, 3
liest: "Alles was bekannt ist, sagt sich Licht"(12). Und so sagt Thomas: "'Per
singulos dies', quantum ad rationes creaturarum quae in Deo sunt lux" (In I Sent.
d.2 q.1 a.5 ex). Weil es vom Wort geschaffen ist, ist ein Ding erkenntbar. Thomas sagt in
den Quaestiones disputatae de veritate (I, 2): res naturalis inter duos
intellectus constituta est die natürliche Wirklichkeit befindet sich zwischen
zwei Intellekte: dem intellectus divinus -mensurans und non mensuratum- und
dem intellectus humanus: mensuratum, der sein Maß erhält von den Dingen
die, ihrerseits, gemessen wurden vom Wort.
Singulos bedeutet aber auch die mannigfaltigen Rationes aller
einzelnen Tage der göttlichen Schöpfung. Daher ist es also nicht überraschend, daß
gerade in dem Kommentar zum De hebdomadibus des Boethius- Thomas seine
tiefgehendste Interpretation formuliert (#135 e #136): "Somit (mit dem Verbum,
Gottes schöpferischer Intelligenz) läßt sich alles verknüpfen (wie wenn man Teile
eines Spiels zusammenbringt, vielleicht, quoad nos, eines Puzzles) und mein
tägliches Vergnügen (in jedem Element des großen Spieles der Schöpfung) ist die ganze
Zeit in Seiner Gegenwart zu spielen, spielend über die ganze Sphäre der Erde; und es ist
mir köstlich mit dem Menschensohn zusammen zu sein (als Teilnehmer der göttlichen
Intelligenz und, so können wir auch die Kreaturen wenn auch nur begrenzt
kennenlernen)". So untersucht Thomas im Kommentar zum De Hebdomadibus -
noch ein Text der Schriften in dem er ludere und Kenntnis verknüpft, Sir 32,
15-16: "Praecurre autem prior in domum tuam et illic avocare et illic lude et age
conceptiones tuas", "Gehe in dein Haus, spiele und wandle deine Kenntnis in
Akt um", d.h.: erkenne die Wahrheit der durch Gottes Intelligenz geschaffenen Dinge
in all ihrer Vielfälltigkeit: "'Praecurre prior in domum tuam, et illuc advocare
et illic lude, et age conceptiones tuas'. Ecclo. 32, 15-16. Habet hoc privilegium
sapientiae studium (...). Et ideo divina sapientia suam delectationem ludo comparat, prov.
viii: delectabar per singulos dies, ludens coram eo: ut per diversos dies, diversarum
veritatum considerationes intelligantur. Unde et hic subditur: et illic age conceptiones
tuas, per quas scilicet homo cognitionem accipit veritatis".
So ist der Mensch mit seiner begrenzten Intelligenz
eingeladen am Spiel der göttlichen Weisheit teilzunehmen, durch die Aufdeckung
verschiedener Teile, Elemente und Bedeutung: die ludische "Logik" des
Logos... So versteht sich unter vielen anderen Dingen die eigenartige
Position des Thomas im Bezug auf die Reichweite des menschlichen Denkens in Bezug auf
Gottes Pläne(13): für Thomas gibt es keine "rationes necessariae" wie
die eines Anselms, nicht einmal jene Freiheit, die Widersprüche, wie die eines Ockhams
duldet (14).
3. Sätze des Thomas über Ludus. Zusätzliche
Gedanken über das Spielen
(http://www.hottopos.com/harvard2/ludus.htm#Sentences)
Wie gesagt, benutzt Thomas im Laufe seiner Werke,
an 173 Stellen seiner originalen Texte, 356 Worte (einschl. nominative,
adjektive und verbale, usw. Formen) wie ludus, ludicrum,
ludere, usw. Die Bedeutung des Begriffs ludus/ludere selbst
erhält im Latein des Aquinate eine außerordentliche semantische Elastizität,
die sich auf diverse Zusammenhänge übertragen läßt.
(1). Educação, Teatro e Matemática Medievais. 2.
Ausgabe, São Paulo, Perspectiva-Edusp, 1990. Idade Média: Cultura Popular. S.
Paulo, CEAr-FFLCHUSP, 1995.
(2). Die Suche im Hypertext wurde anhand des lateinischen Textes
der elektronischen Auflage von Roberto Busa Thomae Aquinatis Opera Omnia cum
hypertextibus in CD-ROM. Milano, Editoria Elettronica Editel, 1992, durchgeführt. Wir
benutzen diese Abkürzung: #145 bedeutet Satz 145, dritten Teil (S. 74 ff.).
(3). So sagt Thomas, zum Beispiel: "Man amusiert sich durch ludicra
des Wortes und der Handlung (verba et facta)" (II-II, 168, 2, c).
(4). Wie zum Beispiel, wenn Aristoteles den Unterschied zwischen
tughaftes und schandhaftes Handeln illustriert, indem er es mit dem Unterschied zwischen
alte und neue Komödien vergleicht.
(5). Circa id quod est secundum se malum et non potest habere
rationem boni, non est virtus et vitium (Ethic. 4, 16, 1).
(6). Habet autem aliquam rationem boni, inquantum est utilis
humanae vitae. sicut enim homo indiget a corporalibus laboribus interdum desistendo
quiescere, ita etiam indiget ut ab intentione animi qua rebus seriis homo intendit
interdum anima hominis requiescat: quod quidem fit per ludum. Et ideo dicit quod, cum sit
quaedam requies hominis ab anxietate sollicitudinum in hac vita et in conversatione humana
per ludum, et sic ludus habet rationem boni utilis, consequens est quod in ludis possit
esse quaedam conveniens collocutio hominum adinvicem; ut scilicet homo dicat et audiat
qualia oportet et sicut oportet; et tamen in talibus multum differt dicere et audire.
multa enim aliquis homo decenter audit quae non decenter diceret. ubicumque autem est
differentia eorum quae oportet fieri et eorum quae non oportet ibi non solum est medium,
sed etiam superabundantia et defectus a medio. unde circa ludum contingit esse medium
virtutis et extrema. (Ethic. 4, 16, 2).
(7). Quod illi qui neque volunt dicere aliquid ridiculum et
molesti sunt illis qui dicunt, dum ex hoc irrationabiliter turbantur, videntur esse agrii,
idest agrestes, et duri, quasi qui non emolliantur delectatione ludi. (Ethic. 4,
16, 4).
(8). Diese Bemerkung stammt von Dr. Mario Sproviero. Es gibt auf
Sanskrit zwei Wörter die Spielen bezeichen: Krîdâ und Lîlâ. Das
bekannte Wörterbuch Monier-Williams nennt folgende Bedeutungen für Krîdâ =
Spiel (in beiden Sinne: mit Regeln oder ohne Regeln), Liebesbelustigung, Spiel mit
Krischna, Wunder tun, aus reiner Belustigung. Lîlâ = Spiel (in beiden Sinnen),
Sport, Belustigung, Unterhaltung, Zeitvertreib, reines Spiel, Kinderspiel, Leichtigkeit
etwas auszuführen, äußerer Schein, Verstellung, Trugbild... Im hinduistisches Denken
wird die Schöpfung oft mit einem reinen Spiel (Lîlâ) von Ischwara vergleicht,
hauptsächlich um die Freiwilligkeit gegen die Notwendigkeit hervorzuheben. So sagt man im
Vedânta, daß in sich Brahman vollkommen ist, und darum gibt es keine Gründe oder keine
zwingende Notwendigkeit diese große Welt zu schaffen; er schafft sie spielend: ohne damit
etwas zu gewinnen, sondern nur um der Freude willen. Es ist reines Spiel, dessen
annährendes Muster der Kindspiel ist. Lîlâ ist mit dem Begriff Mâyâ
(kosmische Illusion) verbunden. So vermeidet man die Schöpfung eine reine Illusion zu
halten: es ist kein trügerisches Spiel eines Zauberers, sondern kosmisches Spielen: eine
Einladung mit an einem existentiellen Tanz teilzunehmen... (Vgl. Dasgupta, S. A History
of Indian Philosophy, Delhi, Motilal Banarsidass, 1975, v. II, S.42 ff.). Dieser
Denkweise hat der berühmte Tagore in Bengalen eine Schule gewidmet, in der seine
Anhänger sich wie im Spiel benehmen sollten, in der alle Tage wie Feiertage sein sollten,
in dem man nicht zwischen Arbeit und Spiel unterscheidet - Kârma und Lîlâ
-: Anstrengung ohne Mühe mit aller Freude (Vgl. Zaehner, R. C. Hinduism, New York,
Oxford Univ. Press, 1996, S. 190).
(9). Super Io. I, 1, 32.
(10). Thomas versteht unter "inteligere" nicht aus
Zufall " intus legere" (von innen lesen): die ratio der Gedanken im Geist ist
eine ratio in die Intimität der Wirklichkeit "hineinliest".
(11). Der Gedanke, die Idee, Ratio.
(12). "Illud quo aliquid cognoscitur quocumque modo, dicitur
lux. unumquodque autem cognoscitur per suam formam, et secundum quod est actu. unde
quantum habet de forma et actu, tantum habet de luce (...) est, inquantum habet de
entitate et luce". Dennnoch wird ein jedes Wesen durch seine Akte, seine Form
erkannt: daher ist es so aktiv, als es Licht ist. Die wichtigste Referenz über dieses
Thema ist Josef Pieper Unaustrinkbares Licht, München, Kösel, 1963. Pieper liest
einen anderen, wichtigen Satz von Thomas auf: "Ipsa actualitas rei est quoddam lumen
ipsius".
(13). Cfr. z. B. Pieper Scholastik, München, DTV,
1978, cap. XI.
(14). Gott ist glücklich und hatte "seine Lust an den
Menschenkindern". Und so ist das Spiel Gottes kein böser Witz im Sinne Macbeths:
"(Life) it is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying
nothing" (Akt V). |