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Spielen als Grund in der Weltanschauung
des Thomas von Aquin

L. Jean Lauand
Universidade de São Paulo - jeanlaua@usp.br
(Übersetzung ins Deutsche von Frau Dr. Gabriele Greggersen)

Gott spielt. Gott schafft, indem er spielt und spielt inrdem er schafft. Der Mensch muß spielen, wenn er menschlich leben möchte, aber auch wenn er gleichzeitig die von Gott gespielte Realität wahrnehmen möchte. Lediglich diese zwei Aussagen – Grundsätze in der Weltanschauung des Thomas von Aquin – genügten, um uns unmittelbar feststellen zu lassen, daß, von allen Urteilen, die noch gegen das Mittelalter erhoben werden, eins der ungerechtesten es als eine Zeit ansieht, die, bewußt oder gar unbewußt, gegen alles Lachen und Spielen kämpft. In Wirklichkeit ist der Mensch des Mittelalters –wenn man es so sagen darf – sehr empfindsam für alles Witzige (Ludus): die Lache, der Witz und das Spielen sind sozusagen ein Bestandteil seines Lebens.

Wie wir bereits versuchten klarzustellen(1), ist das Spielen in verschiedenen Instanzen der Kultur in dieser Epoche anwesend. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit der Reichweite und Bedeutung des Spielens in Thomas von Aquin. In diesem Zusammenhang bieten wir noch – im dritten Teil (S. 74 ff.) – eine vollständige Aufstellung der 173 Abschnitte aus den kompletten Werken des Thomas, in denen insgesamt 356 Fälle des Wortes Ludus (und ensprechender Nebenworte) vorkommen(2). Diese Worte erwecken verschiedene Interessen: vom semantischen Aspekt des Ludus – der im Thomas' Latein viel weiter reicht als irgendwelche "entsprechenden" Worte der modernen Sprachen – bishin zur Philosophischen Anthropologie; von der Ethik, bishin zu den Grundsätzen seiner eigentlichen Weltanschauung.

Zu Anfang erläutern wir flüchtig zwei kurze Texte – in denen ähnliche Gesichtspunkte dargestellt werden – die Thomas dem Spielen widmet: Summa Theologica II-II, q. 168, Artikel 2, 3 und 4 und Kommentar zur aristotelisches Ethik IV, 16. In beiden Texten werden anthropologische und ethische Aspekte hervorgehoben: die Rolle des Spiels im menschlichen Leben, Spielen als Bedürfnis, Tugend und Last des Spiels. Im Anschluß widmen wir uns der tiefgehenden und einzigartigen Analyse des Thomas über das göttliche Spiel, und, im dritten Teil, fügen wir zusätzliche Bemerkungen linguistischer, psychologischer Natur usw. zur Aufstellung der 173 Sätze des Thomas über das Spielen hinzu.

1. Anthropologie und Ethik des Spielens in den thematischen Texten

Das Spielen in der Summa Theologica II-II, 168, 2, 3 und 4

Vorerst eine kurze Bemerkung über die Sprache. Im Gegenteil zur portugiesischen Sprache, in der man zwischen ein Spiel spielen (Beachtung bestimmter Regeln) und ganz einfach spielen (sich wie ein Kind vergnügen) unterscheidet, sind in Ludus, im Latein des Thomas – wie auch im Deutschen, Englischen und anderen Sprachen – beide Sinne vertreten. Es bedeutet weiterhin, wie im Deutschen, Spielen: ein Theaterspiel, usw. (verschiedene Bedeutungen des Ludus werden im dritten Teil diskutiert).

In beiden Texten, die thematisch dem Ludus gewidmet sind (in der Summa und der Ethik), handelt es sich vor allem um:

  • ein erwachsenes Spielen (obgleich dies natürlicherweise auch für Kinder gilt).
  • das Witzige, die gute Laune, die Sympathie, das lockere Reden und Handeln, die den Umgang befriedigend, angenehm, herzlich, heiter und liebevoll werden lassen.
  • die Tugend des Zusammenlebens und der menschlichen Beziehung.

Über die Worte Ludus und Jocus ist zu bemerken, das im Latein Jocus im Wortspiel vorkommt: Sprüche, Rätsel, usw.; Ludus, auf der anderen Seite, bezieht sich eher auf dem nicht wörtlichen Spiel: den Tatsachen also. Dennoch werden, im 13. Jahrhundert, Jocus und Ludus oft als Synonyme angewendet(3).

Ohne die Sorge, sich mit Aristoteles selbst zu befassen, geht Thomas in der Summa mit größerer Freiheit mit dem Wort Ludus um, als in seinem Kommentar zur Ethik. Eine der wichtigsten Erkenntnis des Ludus befindet sich im ad 3 der Art. 3: Ludus est necessarius ad conversationem humanae vitae, Spielen ist notwendig fürs menschliche Dasein, um menschlich zu leben.

Die Aussage ist grundsätzlich anthropologisch, und wird im Art. 2 der quaestio 168 entwickelt. Thomas behauptet, daß gleichwie der Mensch Ruhe für den Körper braucht, um sich zu erholen – da er, wegen seiner physisch begrenzten Kräfte, nicht kontinuerlich arbeiten kann – so braucht er Ruhe für seine Seele: was durchs Spielen verwirklicht wird. So wie eine Mahlzeit (Refectio, refectio) die physischen Kräfte wiederherstellt, so werden auch die seelischen Kräfte durch Rekreation (Re-creatio) neu geschaffen.

Die im Ludus verwirklichte Rekreation – nachstehende Aussagen könnten auf dem ersten Blick etwas eigenartig erscheinen –, ist ein noch stärkeres Bedürfnis für den Intelektuellen oder Kontemplativen, der seine seelischen Kräfte sozusagen eher "verbraucht" und von seiner Sinnlichkeit abrechnet. Und, da "das sinnlich Gute der menschlichen Natur entspricht", haben die Aktivitäten des Geistes einen noch größeren Anspruch aufs Spielen. Davon lassen sich wichtige Folgen für die Erziehung schließen: der Unterricht darf niemals langweilig sein: fastidium ist ein ernstes Hindernis zum Lernen.

Man sollte, laut Thomas, in diesem Bereich drei Vorbeugungsmaßnahmen vornehmen:

  1. Spiele vermeiden, die eine schändliche oder schädliche Handlung oder Rede mit sich bringen.
  2. Sich nicht ohne Rücksicht vom Spielen überwältigen lassen, bishin zum Verlust der Ernsthaftigkeit der Seele. Diese Maximen für Erwachsene gelten aber auch für das Spielen der Kinder: "den Kindern sollte man keine Spiele erlauben: lediglich die ehrwürdige Rekreation".
  3. Man sollte dafür sorgen, daß das Spielen zeitlich, den Umständen, und den Menschen zum Besten dient.

Und hieraus leitet er eine spezifische Tugend des Spielens ab: die Eutrapelia: "All diese Dinge sollen abgeleitet werden von der Regel des Verstands (Ratio bedeutet hier: objektives Wissen über das Dasein). Die Angewohnheit, die aufgrund unseres Verstands funktioniert, ist nichts weiter als die Tugend der Sittlichkeit. Wir können also von einer Tugend des Spielens reden, die Aristoteles Eutrapelia nennt".

Im ad 1, empfiehlt Thomas die didaktische Anwendung des Spiels und Witzes: zur Entspannung der Hörer und Studenten.

Im Art. 3, ist die Sprache davon, ob ein übermäßiges Spielen Sünde ist. Thomas behauptet, daß diese Art von Übertreibung auf zwei Weisen passieren kann: einmal, durch aggressives und schändliches Spielen, wie zum Beispiel, wenn jemand aus Spaß seinen Nächsten verletzt oder wenn er schändlich handelt oder redet; eine andere Art von Mißbrauch ist die, die sich auf ungemessene Umstände bezieht (wenn man im falschen Moment, Ort, oder mit dem Gegenstand oder der falschen Person spielt).

Die Quaestio endet in der Art. 4, wo Tomas sich der Schande als Defekt (Fehler) widmet: die Härte jener, die nicht zu spielen wissen zeigt sich, wenn sie unangenehm werden. Daher ist es Sünde, wenn man der allgemeinen Freude nichts beizutragen hat, indem man lästig und langweilig ist: "Alles was gegen die Regel des Verstands geht ist schändlich; und es ist nicht verständlich im Miteinanderleben langweilig zu sein: wenn man immer unangenehm ist und den Spaß Anderer verdirbt (...). Man kann aus Fehler im Spielen heraus sünden, indem man niemals Witze erzählt, aber auch, indem man keinen erlaubt, Witze zu erzählen, da man kein Verstand oder Toleranz hat für den Spaß und Witz der Anderen". Dies wird auch in der Ethik thematisch auseinandergesetzt.

Das Spielen im Kommentar zur Ethik des Arisoteles

Die Kommentar des Thomas sind ungefähr drei Mal länger als die aristotelischen Originale (1127 b 30 - 1128 b 10) und sind, Schritt für Schritt, anhand der Übersetzung geschrieben, über die Thomas verfügte. Diese Übersetzung – die zwar für seine Zeit nicht schlecht war – ist an manchen Stellen ziemlich vieldeutig(4). Unter den wenigen Innovationem des Thomas in Bezug auf die aristotelischen Originalen, muß der Grundsatz des Spielens als Tugend gennant werden. Die Diskussion beginnt mit dem Hinweis, daß, wenn eine Handlung nicht an sich gut sein kann (wie etwa der Neid oder Ehebruch), kann man nicht von Tugend als Regler dieser Handlung sprechen(5).

Das Spielen ist gut, weil es dem menschlichen Leben zum Besten dient: als erforderliche Entspannung von all dem Stress der Sorgen und Leiden des Lebens und Ruhe von aller ernsten Beschäftigungen. Durchs Spielen wird ein harmonischer Dialog und Zusammenleben zwischen den Menschen geschaffen. Es gibt also ein Medium fürs Spielen, sowie man durch Übertreibung und durch Fehler Sünden kann(6).

Anschließend spricht Thomas von der Schande durch Übertreibung aufgrund des Unterschieds zwischen bomolochus und irrisor. Letzteres sucht, durch Übertreibungen, den Anderen zu verletzen und Schaden bringen, wozu alle möglichen Übertreibung dienen; die erste versucht lediglich witzig zu sein, auch wenn man dazu Andere verletzt oder Anderen unangenehm werden könnte. Die Schande des Fehlers ist eine Eigenschaft der Bitteren und Hartherzigen, die sich durch Vergnügen und Spiel nicht besänften lassen(7).

2. Ludus in der göttlichen Schaffung(8)

Ludus hat in Thomas, wie gesagt, einen reichfaltigen Sinn und erhält verschiedene Bedeutungen und Anwendungen in hundert verschiedene Stellen seines Werkes.

Erstens sind da biblische Beispiele, insbesondere die Verse der Prd 8, 30-31, in denen die göttliche Weisheit zur Sprache kommt, die Thomas folgendermaßen liest: "Cum eo eram cuncta conponens et delectabar per singulos dies ludens coram eo omni tempore, ludens in orbe terrarum et deliciae meae esse cum filiis hominum" ("Da war ich als sein Liebling bei Ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor Ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern").

Dieser Text wird von Thomas tiefgründig interpretiert: es handelt sich ganz einfach um Grundlagen der göttlichen Schaffung und der Möglichkeit menschlicher Kenntnis über die Wirklichkeit. Laut Thomas geht es in diesem Text der Bibel um den Sohn, dem Verb Gottes: um die schöpferische Intelligenz durch die Gott alles schafft. Thomas weiß, daß im Evangelium des Johannes das griechische Wort Logos (Verstand und Wort zusammen) nicht zufällig als zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit angewendet wird: der Logos ist nicht nur Bild des Vaters, aber auch Prinzip der Schöpfung: Er ist verantwortlich für die intelectuelle Artikulation der Dinge. So muß die Schöpfung als "innere Struktur" verstanden werden: als Projekt, Design der Formen der Wirklichkeit, die von Gott durch sein Verb, Logos, geschaffen wurden. In seiner Erläuterung des Johannes Evangeliums, erhebt Thomas sogar die Frage über die Angemessenheit der Übersetzung von Logos auf Ratio und nicht auf Verbum. Die letztere Form scheint besser zu sein, da sich beide Formen auf Gedanken beziehen, Verbum jedoch die Materialisierung der Gedanken hervorhebt (Verkörperung / Wort)(9).

So ist für Thomas die Schöpfung auch ein Sprechen Gottes: die geschaffenen Dinge sind, weil sie "gedacht" sind und weil sie von Gott "ausgesprochen" wurden: und daher können sie auch vom menschlichen Verstand verstanden werden(10). In diesem Sinne verteidigt die Theologie, in der erfolgreichen Formulierung von Romano Guardini- den Wortcharakter aller geschaffenen Dinge. Oder selbst in einem Satz des Thomas: "Sowie das hörbare Wort das interne Wort(11) verkörpert, so verkörpert auch die Kreatur die göttliche Konzeption (...); die Kreaturen sind wie Worte die das WORT Gottes offenbaren" (In Sent. I d. 27, 2.2 ad 3). Diese Idee der Schöpfung als Gottes Gedanke, der von Gott "spricht", wurde sehr gut zum Ausdruck gebracht, in einem akuten Satz von Sartre (wenn auch um ihr zu widersprechen): "Es gibt keine menschliche Natur, weil es kein Gott gibt, der sie denken (concevoir) könnte". Wie wir sehen werden, ist dieses Wort -conceptio- wesentlich in der Interpretation des Thomas.

So ist die Schöpfung Gottes nicht nur lediglich ein "Wesen erschaffen", aber "Wesen schaffen", die gleichzeitg ein Design, ein durchdachtes Projekt des Wortes sind. "Et ipsa sapientia loquitur, Prov. 8, 30: Cum eo eram cuncta componens. Hoc etiam specialiter Filio attributum invenitur, inquantum est imago Dei invisibilis, ad cujus formam omnia formata sunt: unde Col. 1, 15: qui est imago Dei invisibilis, primogenitus omnis creaturae, quoniam in ipso condita sunt universa; et Joan. 1, 3: omnia per ipsum facta sunt". (In I. Sent.)

"Meine Lust", delectabar, liegt – kommentiert Thomas – in der Teilnahme an der Herrlichkeit des Vaters. "Delectabar, consors paternae gloriae" (In I Sent. d.2 q.1 a.5 ex).

"Ich spielte", ludens, die Weisheit Gottes schafft spielend, weil sich die Weisheit in Otium der Kontemplation verkörpert, sowie in der Beschäftigung des Spielens, die aufgrund ihrer Zielsetzung an sich wünschenswert ist (siehe Sätze #1, #136). Außerdem drückt sie die Freude Gottes aus, auch im Schöpfen/Spielen (#20, #170). Also schöpft Gott spielend: "Sicut enim operationes ludi non appetuntur propter aliud, sed in seipsis habent delectationem, ita et contemplatio sapientiae" (In I Sent. d.2 q.1 a.5 ex).

Noch tiefer geht aber der Kommentar des Thomas über "täglich" (singulos dies, jeden Tag). "Tag" wird hier - in erster Linie - als Licht verstanden. Und wie man im Kommentar über I Tim 6, 3 liest: "Alles was bekannt ist, sagt sich Licht"(12). Und so sagt Thomas: "'Per singulos dies', quantum ad rationes creaturarum quae in Deo sunt lux" (In I Sent. d.2 q.1 a.5 ex). Weil es vom Wort geschaffen ist, ist ein Ding erkenntbar. Thomas sagt in den Quaestiones disputatae de veritate (I, 2): res naturalis inter duos intellectus constituta est – die natürliche Wirklichkeit befindet sich zwischen zwei Intellekte: dem intellectus divinus -mensurans und non mensuratum- und dem intellectus humanus: mensuratum, der sein Maß erhält von den Dingen die, ihrerseits, gemessen wurden vom Wort.

Singulos bedeutet aber auch die mannigfaltigen Rationes aller einzelnen Tage der göttlichen Schöpfung. Daher ist es also nicht überraschend, daß – gerade in dem Kommentar zum De hebdomadibus des Boethius- Thomas seine tiefgehendste Interpretation formuliert (#135 e #136): "Somit (mit dem Verbum, Gottes schöpferischer Intelligenz) läßt sich alles verknüpfen (wie wenn man Teile eines Spiels zusammenbringt, vielleicht, quoad nos, eines Puzzles) und mein tägliches Vergnügen (in jedem Element des großen Spieles der Schöpfung) ist die ganze Zeit in Seiner Gegenwart zu spielen, spielend über die ganze Sphäre der Erde; und es ist mir köstlich mit dem Menschensohn zusammen zu sein (als Teilnehmer der göttlichen Intelligenz und, so können wir auch die Kreaturen – wenn auch nur begrenzt – kennenlernen)". So untersucht Thomas – im Kommentar zum De Hebdomadibus - noch ein Text der Schriften in dem er ludere und Kenntnis verknüpft, Sir 32, 15-16: "Praecurre autem prior in domum tuam et illic avocare et illic lude et age conceptiones tuas", "Gehe in dein Haus, spiele und wandle deine Kenntnis in Akt um", d.h.: erkenne die Wahrheit der durch Gottes Intelligenz geschaffenen Dinge in all ihrer Vielfälltigkeit: "'Praecurre prior in domum tuam, et illuc advocare et illic lude, et age conceptiones tuas'. Ecclo. 32, 15-16. Habet hoc privilegium sapientiae studium (...). Et ideo divina sapientia suam delectationem ludo comparat, prov. viii: delectabar per singulos dies, ludens coram eo: ut per diversos dies, diversarum veritatum considerationes intelligantur. Unde et hic subditur: et illic age conceptiones tuas, per quas scilicet homo cognitionem accipit veritatis".

So ist der Mensch – mit seiner begrenzten Intelligenz – eingeladen am Spiel der göttlichen Weisheit teilzunehmen, durch die Aufdeckung verschiedener Teile, Elemente und Bedeutung: die ludische "Logik" des Logos... So versteht sich – unter vielen anderen Dingen – die eigenartige Position des Thomas im Bezug auf die Reichweite des menschlichen Denkens in Bezug auf Gottes Pläne(13): für Thomas gibt es keine "rationes necessariae" wie die eines Anselms, nicht einmal jene Freiheit, die Widersprüche, wie die eines Ockhams duldet (14).

3. Sätze des Thomas über Ludus. Zusätzliche Gedanken über das Spielen
(http://www.hottopos.com/harvard2/ludus.htm#Sentences)

Wie gesagt, benutzt Thomas im Laufe seiner Werke, an 173 Stellen seiner originalen Texte, 356 Worte (einschl. nominative, adjektive und verbale, usw. Formen) wie ludus, ludicrum, ludere, usw. Die Bedeutung des Begriffs ludus/ludere selbst erhält im Latein des Aquinate eine außerordentliche semantische Elastizität, die sich auf diverse Zusammenhänge übertragen läßt.

 

(1). Educação, Teatro e Matemática Medievais. 2. Ausgabe, São Paulo, Perspectiva-Edusp, 1990. Idade Média: Cultura Popular. S. Paulo, CEAr-FFLCHUSP, 1995.

(2). Die Suche im Hypertext wurde anhand des lateinischen Textes der elektronischen Auflage von Roberto Busa Thomae Aquinatis Opera Omnia cum hypertextibus in CD-ROM. Milano, Editoria Elettronica Editel, 1992, durchgeführt. Wir benutzen diese Abkürzung: #145 bedeutet Satz 145, dritten Teil (S. 74 ff.).

(3). So sagt Thomas, zum Beispiel: "Man amusiert sich durch ludicra des Wortes und der Handlung (verba et facta)" (II-II, 168, 2, c).

(4). Wie zum Beispiel, wenn Aristoteles den Unterschied zwischen tughaftes und schandhaftes Handeln illustriert, indem er es mit dem Unterschied zwischen alte und neue Komödien vergleicht.

(5). Circa id quod est secundum se malum et non potest habere rationem boni, non est virtus et vitium (Ethic. 4, 16, 1).

(6). Habet autem aliquam rationem boni, inquantum est utilis humanae vitae. sicut enim homo indiget a corporalibus laboribus interdum desistendo quiescere, ita etiam indiget ut ab intentione animi qua rebus seriis homo intendit interdum anima hominis requiescat: quod quidem fit per ludum. Et ideo dicit quod, cum sit quaedam requies hominis ab anxietate sollicitudinum in hac vita et in conversatione humana per ludum, et sic ludus habet rationem boni utilis, consequens est quod in ludis possit esse quaedam conveniens collocutio hominum adinvicem; ut scilicet homo dicat et audiat qualia oportet et sicut oportet; et tamen in talibus multum differt dicere et audire. multa enim aliquis homo decenter audit quae non decenter diceret. ubicumque autem est differentia eorum quae oportet fieri et eorum quae non oportet ibi non solum est medium, sed etiam superabundantia et defectus a medio. unde circa ludum contingit esse medium virtutis et extrema. (Ethic. 4, 16, 2).

(7). Quod illi qui neque volunt dicere aliquid ridiculum et molesti sunt illis qui dicunt, dum ex hoc irrationabiliter turbantur, videntur esse agrii, idest agrestes, et duri, quasi qui non emolliantur delectatione ludi. (Ethic. 4, 16, 4).

(8). Diese Bemerkung stammt von Dr. Mario Sproviero. Es gibt auf Sanskrit zwei Wörter die Spielen bezeichen: Krîdâ und Lîlâ. Das bekannte Wörterbuch Monier-Williams nennt folgende Bedeutungen für Krîdâ = Spiel (in beiden Sinne: mit Regeln oder ohne Regeln), Liebesbelustigung, Spiel mit Krischna, Wunder tun, aus reiner Belustigung. Lîlâ = Spiel (in beiden Sinnen), Sport, Belustigung, Unterhaltung, Zeitvertreib, reines Spiel, Kinderspiel, Leichtigkeit etwas auszuführen, äußerer Schein, Verstellung, Trugbild... Im hinduistisches Denken wird die Schöpfung oft mit einem reinen Spiel (Lîlâ) von Ischwara vergleicht, hauptsächlich um die Freiwilligkeit gegen die Notwendigkeit hervorzuheben. So sagt man im Vedânta, daß in sich Brahman vollkommen ist, und darum gibt es keine Gründe oder keine zwingende Notwendigkeit diese große Welt zu schaffen; er schafft sie spielend: ohne damit etwas zu gewinnen, sondern nur um der Freude willen. Es ist reines Spiel, dessen annährendes Muster der Kindspiel ist. Lîlâ ist mit dem Begriff Mâyâ (kosmische Illusion) verbunden. So vermeidet man die Schöpfung eine reine Illusion zu halten: es ist kein trügerisches Spiel eines Zauberers, sondern kosmisches Spielen: eine Einladung mit an einem existentiellen Tanz teilzunehmen... (Vgl. Dasgupta, S. A History of Indian Philosophy, Delhi, Motilal Banarsidass, 1975, v. II, S.42 ff.). Dieser Denkweise hat der berühmte Tagore in Bengalen eine Schule gewidmet, in der seine Anhänger sich wie im Spiel benehmen sollten, in der alle Tage wie Feiertage sein sollten, in dem man nicht zwischen Arbeit und Spiel unterscheidet - Kârma und Lîlâ -: Anstrengung ohne Mühe mit aller Freude (Vgl. Zaehner, R. C. Hinduism, New York, Oxford Univ. Press, 1996, S. 190).

(9). Super Io. I, 1, 32.

(10). Thomas versteht unter "inteligere" nicht aus Zufall " intus legere" (von innen lesen): die ratio der Gedanken im Geist ist eine ratio in die Intimität der Wirklichkeit "hineinliest".

(11). Der Gedanke, die Idee, Ratio.

(12). "Illud quo aliquid cognoscitur quocumque modo, dicitur lux. unumquodque autem cognoscitur per suam formam, et secundum quod est actu. unde quantum habet de forma et actu, tantum habet de luce (...) est, inquantum habet de entitate et luce". Dennnoch wird ein jedes Wesen durch seine Akte, seine Form erkannt: daher ist es so aktiv, als es Licht ist. Die wichtigste Referenz über dieses Thema ist Josef Pieper Unaustrinkbares Licht, München, Kösel, 1963. Pieper liest einen anderen, wichtigen Satz von Thomas auf: "Ipsa actualitas rei est quoddam lumen ipsius".

(13). Cfr. z. B. Pieper Scholastik, München, DTV, 1978, cap. XI.

(14). Gott ist glücklich und hatte "seine Lust an den Menschenkindern". Und so ist das Spiel Gottes kein böser Witz im Sinne Macbeths: "(Life) it is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing" (Akt V).